11 Dezember 2006

Zaragoza


Nach dem grandiosen Fußballspiel ging's auf zum Hostel, um unsere Taschen abzuholen und anschließend weiter zum Busbahnhof "Nord". Dort trennten sich dann Jakob's und meine Wege - er fuhr zurück nach Madrid, während ich den Bus nach Zaragoza nahm. Dort kam ich dann gegen 4.30 Uhr völlig übermüdet an – und so machte ich’s mir erstmal auf einem der Wartesitze in dem kleinen Busbahnhof-Warteraum „gemütlich“. Und zwar so lange, bis ich nach ca. 1 Stunde von durch lautes Herumbrüllen geweckt wurde. Ein Typ von der „Guardia Civil“ machte sich wichtig und wollte einen Obdachlosen rausschmeißen, der sich aber lautstark „verteidigte“. Nachdem ich mir das Schauspiel 10 Minuten angesehen hatte, schnappte ich mir meine Tasche und ging (nicht weil ich befürchtete, auch rausgeschmissen zu werden – was wohl kaum passiert wäre – aber an Schlafen war bei dem Krach auch nicht mehr zu denken. So schlenderte ich die nächsten 5 Stunden durch das eisig kalte morgendliche Zaragoza, schaute mir die Stadt an und wärmte mich hin und wieder in irgendwelchen Lokalitäten auf (z.B. im Bahnhofsgebäude, welches nebenbei bemerkt riesig groß, noch ziemlich neu und von der Innenarchitektur ziemlich interessant ist – man muss praktisch immer zick-zack laufen um von einem Ende zu anderen zu kommen). Das „Problem“ neben den schon relativ frostigen Temperaturen war v.a. ständiger Wind, welcher, wie ich später erfuhr, kalte Luft vom Gebirge mit sich führt und sehr typisch für Zaragoza ist. So hätte Zaragoza wohl den Beinamen „Windy city“ wohl mindestens genauso verdient wie Chicago :-). Auf den ersten Blick schien Zaragoza ein eher trostloser Ort mit vielen Neubauten und wenig interessanten Plätzen und Gebäuden zu sein, doch je länger ich lief, desto mehr änderte sich dieser Eindruck. Die Stadt befindet sich darüber hinaus sowieso gerade in einem Umbruch, da Zaragoza 2008 Gastgeber der Weltausstellung Expo sein wird.

Um halb 11 meldete sich dann schließlich per Telefon mein Host Jorge, den ich über das Couchsurfing Projekt gefunden hatte – ein lustiger Typ, der 5 Jahre in London studiert hatte, schließlich aber doch nach Spanien zurückkam und für sein Leben gern reist. Er beschrieb mir den Weg mittels Bus – und eine halbe Stunde trafen wir uns schon an der Bushaltestelle nahe seiner Wohnung. Nachdem ich mein Gepäck in seiner Bude abgestellt hatte, ging’s auch gleich weiter zum Stadtbummel 2. Teil ;-) – diesmal aber eben mit „fachkundigem“ Führer. Nachdem wir den kulturellen Teil mit einem Besuch im "Museo Provincial" abgehakt hatten ;-), zeigte mir Jorge eine (Tapas-) Bar, wo’s die besten Calamares-Bocadillos der Stadt gibt – superlecker. Anschließend sammelten wir 3 polnische Mädels auf, die von Vitoria (im Baskenland) nach Barcelona trampten und sich kurzfristig ebenfalls für eine Nacht bei Jorge einquartieren wollten. Also wieder zurück zur Wohnung, wo’s dann erstmal einen heißen starken Kaffee gab, der nach der Kälte doppelt gut tat, und wo wir fünf bestimmt 2 Stunden quatschten, wo jeder schon mal war, wo’s besonders schön war und wohin’s noch gehen soll. Schließlich ging’s noch mal in die Stadt, wo wir uns die Hauptsehenswürdigkeiten anschauten. An erster Stelle sind hier die beiden Kirchen „Basilica del Pilar“ (das größte barocke Bauwerk Spaniens) und die „Catedral de la Seo“ sowie ein römisches Amphitheater, welches erst vor ein paar Jahren zufällig mitten im Zentrum entdeckt wurde, zu nennen. Was den Stadtrundgang aber erst so richtig perfekt machte, waren Jorges Ausführungen und Erläuterungen - er hatte zu fast jeder Sehenswürdigkeit noch eine interessante Geschichte parat. Am Abend machten wieder dann noch eine „Tapas“-Tour durch einige Bars, die in der Altstadt dicht an dicht lagen. Dabei aßen wir auch die besten „patatas bravas“ der Welt *g*, wie in einigen Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln im Schaufenster einer solchen Bar nachzulesen war. Aber sie waren wirklich verdammt lecker. Ganz nebenbei entdeckte ich noch mein Lieblingsbier in Spanien, das „Ambar“, welches eben in und rund um Zaragoza gebraut und getrunken wird (welches ich in Madrid aber bisher leider noch nicht gesehen hab). Und mit etlichen Gläsern dieses leckeren Gebräus ließen wir den Abend dann auch in einer weiteren Bar nahe Jorges Wohnung ausklingen. Geschlafen hab ich auch prima, hatte ein großes Bett (frisch bezogen!) ganz für mich allein. Am nächsten Morgen ging dann jeder seiner Wege – Jorge musste auf Dienstreise in irgendeine andere spanische Stadt und die Mädels trampten weiter Richtung Barcelona, sodass mir genug Zeit bis zur Abfahrt meines Busses am Nachmittag Richtung Bilbao blieb, noch mal Fotos von den ganzen Orten zu machen, wo wir tags zuvor waren. Da hatte ich jedoch meine Kamera aufgrund leerer Akkus nicht dabei – über Nacht konnte ich sie aber dann eben aufladen. Insgesamt war es ein wirklich gelungener Aufenthalt, welcher mir v.a. durch meine erste, superpositive Couchsurfing-Erfahrung in guter Erinnerung bleiben wird. Ich kann nur jedem, der nur ein bisschen aufgeschlossen ist, dazu raten – nicht nur dass man sich Geld für’s Übernachten spart, sondern eben auch noch nette Leute kennenlernt, welche einem z.B. die Stadt zeigen oder mit denen man einfach Erfahrungen austauschen kann. So hätte ich z.B. von allein nie von der Bar mit den Calamares-Bocadillos oder dem Ambar-Bier erfahren. Klar hatte ich sicher auch ein wenig Glück, dass das nun gleich so ein einschlagender Erfolg war, grundsätzlich denke ich, dass die Leute, die sich für eine Sache wie Couchsurfing anmelden (und das nicht nur zum "Unterkunft-schmarotzen" missbrauchen ;-)), schon von Natur aus interessant bzw. „cool“ sein dürften.