Der letzte grosse Trip meines Spanien-Aufenthalts sollte mich nach Valencia führen. Darauf hatte ich mich schon seit langer Zeit gefreut, und zwar aus 2 Gründen. Zum einen, weil an Stelle von Madrid eigentlich Valencia meine „Heimat“ für das 7-monatige Praktikum werden sollte (ich hatte mich bewusst zwischen diesen beiden Städten für Valencia entschieden, was dann durch unglückliche Umstände 3 Wochen vor Praktikumsbeginn durch meine Firma geändert wurde), und ich nun also schon sehr gespannt auf „mein“ Valencia war. Zum anderen weil zu der von uns ausgewählten Zeit (Mitte März) wie in jedem Jahr die „Fallas“ stattfanden, die mit als eine der größten und exzessivsten Partys Spaniens gelten (in diesem Jahr sind angeblich 1 Million Touristen gezählt worden!!!). Aus diesem Grunde war es auch äusserst schwierig, an ein Zimmer zu kommen. Ich hatte schon letzten November mal nach Hostels geschaut, und trotz der Tatsache, dass die meisten Hostels zu den Fallas überhöhte Preise haben und die Bedingung stellen, dass man sich für 5 Tage am Stück einbucht, waren die meisten schon ausgebucht. Aber durch viel Glück bekam ich mit, dass ein schon als belegt gemeldetes Hostel doch wieder 3 Plätze zur Verfügung hatte (und genau soviel brauchten wir auch für Jessi, Arnaud und mich), und da hab ich dann (trotz für ein Hostel ganz schön ordentlichem Preis von 30 € pro Nacht) gleich zugeschlagen. Und es hat sich so was von gelohnt, sowohl das Hostel als auch Valencia und die Fallas waren einfach nur genial.
Ich war sofort von Valencia begeistert. Es war bei weitem nicht so riesig wie Madrid (3,2 Mio. Einwohner ohne die Vororte), hat aber mit ca. 850.000 Einwohner trotzdem eine stattliche (und in meinen Augen perfekte) Größe für eine Stadt, eben weil es nicht ganz so anonym und hektisch ist wie in einer Metropole, aber trotzdem groß genug sodass es einem nie langweilig wird. Dann kommt als nächstes natürlich der in Madrid so schmerzlich vermisste Strand - zu dem man vom Zentrum aus zur Not laufen kann - sowie das allgemein sonnigere und vom Meer geprägte Wetter hinzu, welches ich schon von Australien her kannte und was für mich zum Wohlfühlen einfach dazu gehört. Man glaubt gar nicht, was dieses mediterrane Klima für eine Auswirkung auf die Gemütslage von Menschen hat, wenn man es selbst noch nicht erlebt hat. Die Leute sind einfach viel relaxter und mit dem Leben irgendwie zufriedener, man kann lange nach dieser aus den grauen Großstädten bekannten Hektik suchen. Was mir auch gleich ins Auge stach waren die vielfach vorhandenen Radwege – und Radfahren hatte ich nun wirklich das halbe Jahr in Madrid schmerzlich vermisst. Hier in Valencia sah man so viel Radfahrer, in der ständig verstopften Innenstadt und ohne Radwege ausgestatteten Hauptstadt Spaniens ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man sein Leben nicht aufs Spiel setzen wollte ;-). Und schließlich das gesamte Stadtbild war sowohl von der Architektonik als auch von den Farben her irgendwie schöner anzusehen; es gibt soviel grün wohin das Auge auch blickt (ich denke da vor allem an das trockengelegte Flussbett des Flusses Turia, der früher genau durch die Stadt floss, nach einer Überschwemmung jedoch „umgelegt“ und das ehemalige Flussbett zu einem riesigen Park umfunktioniert wurde.
Doch genug der Schwärmerei, zurück zum Reisebericht. Arnaud und ich reisten schon am Freitag vormittag an (früh um 8 ging’s los, ich hätte fast noch den Bus verpasst, weil die bekna***te Metro so lange brauchte, aber 3 Minuten vor Abfahrt kam ich dann doch noch angehechelt *g*). Mittags um 12 kamen wir dann bei herrlichstem Sonnenschein in Valencia an (einen Tag später kam ja dann auch noch Jessi nach). Danach ging’s per Metro zu unserem Hostel, was erfreulicherweise gar nicht weit weg vom Zentrum war (ich glaub es waren 5 Metro-Stationen). Nach etwas Sucherei und Befragung von Einheimischen fanden wir die Herberge dann auch. Es war kein Hostel im herkömmlichen Sinne, sondern vielmehr das mehrstöckige Haus eines Mannes, der einzelne Zimmer untervermietete. Insgesamt gab’s 5 Zimmer – z.T. Einzel-, z.T. Doppelzimmer. Arnaud’s und mein Zimmer war jetzt nix weiter Besonderes, es gab halt 2 Betten und ’nen Schrank – aber mehr brauchten wir ja auch nicht zum Schlafen, wir wollten ja die meiste Zeit unterwegs sein. Ein kleines Highlight gab’s aber doch – so hatten wir eine begehbare Terrasse (im 2. Stock!!!), von wo aus wir auf den Zentrumsrand von Valencia blicken konnten. Des Weiteren konnten alle „Bewohner“ das Wohnzimmer (inkl. Computer mit Internet-Zugang) und die relativ große Küche nutzen, was uns hinsichtlich der Abendbrotgestaltung unerhoffte Möglichkeiten eröffnete. So zauberte Arnaud täglich die herrlichsten Pasta-Saucen, nachdem ich ihm als treuer Gehilfe die Zutaten zurechtgeschnippelt hatte ;-). Insgesamt fühlten wir uns wirklich pudelwohl dort. Ziemlich bald lernten wir außerdem Jan - einen weiteren Deutschen – der ein Jahr in Valencia studiert, sowie seine Schwester - die nur für die Fallas dort zu Besuch war - kennen, und unternahmen einiges zusammen. So ging’s einmal an den Strand zum obligatorischen Paella-Essen (denn Valencia ist ja die Geburtsstätte der Paella; und was war die in einer großen Pfanne servierte Paella lecker – meine Arbeitskollegen, die mir immer davon abgeraten hatten, eine Paella in Madrid zu essen, hatten natürlich so was von Recht :-)) . Danach spazierten wir noch am Hafen entlang und besichtigten das soeben erst fertig gestellte Gelände für den America’s Cup, der ja in diesem Jahr erstmalig in Europa (und da die beim letzten Cup erfolgreichen Schweizer keinen eigenen Hafen haben, eben in Valencia) - sehr beeindruckend! Einen anderen Tag haben wir uns noch die "Stadt der Künste und Wissenschaften" mit ihren 4 architektonischen Meisterwerke (der „Palau de les Arts Reina Sofía“ - eine riesige Oper und Musikpalast; das „L'Oceanogràfic“ - das größte Aquarium Europas; das „Museo de las Ciencias Príncipe Felipe“ – eingigantisches Naturkundemuseum; sowie das „L'Hemisfèric“ – ein riesiges 3D-Kino), die räumlich nicht weit voneinander entfernt stehen, angeschaut. Alles wahnsinnig schön und wie schon erwähnt architektonisch sehr extravagant – ein Must-See in Valencia (irgendwie habe ich mich an Sydney mit seiner Oper erinnert gefühlt) Den Botanischen Garten „L'Umbracle“ haben wir leider nicht mehr geschafft..
So jetzt erstmal das „Konzept“ in ein paar Sätzen (für genauere Infos bitte hier nachlesen), was hinter den ganzen Fallas steht. Jedes Jahr bauen dort die verschiedenen Stadtteile riesige (z.T. mehr als 15 m hohe und mehrere Tonnen wiegende) Gebilde (nicht nur einzelne Figuren, sondern z.T. richtige kleine „Szenen“) aus Holz und Pappmaché, die natürlich kunstvoll bemalt sind. Der Bau dieser Skulpturen dauert das ganze Jahr, und am Ende kostet jede einzelne ’ne richtige Stange Geld (z.T. 100.000 € und mehr). Aus den vielen „Fallas“ (so der Name der Figuren) durch den Bürgermeister die schönste ausgewählt und prämiert. In der letzten Nacht der Fallas, die traditionell eine Woche dauern und in der Nacht vom 19. bis zum 20. März endet, werden alle außer der schönsten Figuren verbrannt, und zwar inmitten der Häuser in den Gassen und Straßen Valencias. Die Feuerwehr steht, soweit halt Männer verfügbar sind, Pistole und Schlauch bei Fuß, aber nicht selten kommt es zu kleineren oder bisweilen auch größeren Feuerunfällen, wenn Flammen auf umliegende Gebäude übergreifen. Auf jeden Fall ist’s ein Heidenspektakel. Doch das ist nur der Aufhänger für eine ganze Woche lang Party Tag und Nacht, in der die echten Valencianos nur 3 Stunden täglich schlafen - ansonsten wird durchgefeiert. Na und haufenweise Umzüge von den ganzen Stadtteilen mit Menschen in ihren typischen Trachten dürfen natürlich auch nicht fehlen. Außerdem gibt’s jeden Mittag um 2 die sogenannten Mascletas - ein rund 5-minütiges ohrenbetäubendes Abfackeln von Knallkörpern in einem vielleicht 50 mal 30 Meter abgegernzten "Käfig" auf dem großen Rathausplatz - sowie in den letzten 4 Nächten Feuerwerke (über dem trockengelegten Flussbett), die jede Nacht länger und atemberaubender wurden. Sowohl bei den Feuerwerken als auch bei den Mascletas sicherte rechtzeitiges Kommen gute Plätze - spätestens 1 Stunde (besser 1,5 Stunden) vorher sollte man da sein, um nicht die Sicht von einem Haus versperrt zu haben bzw. in einer Gasse vor dem Rathausplatz hängenzubleiben. Genau so erging es uns mit Arnaud, als wir am Sonntag (an dem die vorletzte Mascleta dieses Jahres) eine dreiviertel Stunde vorher erst im Zentrum bei natürlich brütender Hitze ankamen. Was da an Menschen unterwegs war - unglaublich! Wir versuchten uns natürlich noch durch eine kleine Strasse irgendwie bis zum Rathausplatz vorzuschieben, aber irgendwann ging's einfach nicht mehr weiter und wir steckten fest und erlebten von dort das ganze Spektakel (für den Rückweg zur ca. 150 m entfernten Metrostation brauchten wir mehr als eine halbe Stunde - es ging NICHTS mehr!). Und selbst dort empfahl es sich noch die Ohren zuzuhalten - es war so laut dass man meinen konnte, dass da Bomben hochgingen; bis in unsere Gasse hörte man die wackelnden Fensterscheiben der umliegenden Gebäude des Rathausplatzes klirren. Irgendwie haben die Valencianos in dieser Hinsicht sowieso eine Macke (im positiven Sinne) – Jan meinte es gäbe nicht einen Tag im Jahr an dem nicht mindestens ein Feuerwerk in Valencia steigt (und sei es auch nur ein kleineres privates) – für die Menschen dort ist Pyrotechnik mit das Größte; und je größer, bunter und lauter, desto besser :-).
Und so spielte sich unser Urlaub dort im Großen und Ganzen wie folgt ab: Bis mittags schlafen, dann entweder ab zum Strand Seele baumeln lassen oder Valencia mit seinen Sehenswürdigkeiten und den überall aufgestellten Fallas erkunden, bevor es zum Abendbrot (hmm, Pasta *g*) kurz nach Hause ging um dann wieder in die Stadt zum Feiern ging, und zwar erstmal draußen. Das war überhaupt kein Problem sondern superangenehm, da die Temperaturen schon frühsommerlich waren (tagsüber bin ich trotz leichten Windes nämlich schon kurz rumgelaufen :-)), und drinnen sowieso alles einfach überlaufen war. Aber es gab entlang des Flusses so viele Zelte und Bühnen, und überall war was los, man wusste gar nicht wo man zuerst hin sollte. Gegen 1 stieg dann meist das Feuerwerk, und danach ging’s dann eigentlich erst richtig los, meist weiter draußen zusammen mit zehntausenden anderen Partywütigen, und erst am frühen Morgen wurde langsam ans Heimgehen gedacht.
Nach 4 langen Tagen (und Nächten :-)) ging es dann Dienstagvormittag glücklich und zufrieden wieder zurück nach Madrid. Ich war wirklich total begeistert von Valencia, und hab’s im Nachhinein noch einmal bereut, dass es bei dem Praktikum eben nicht mit meiner Wunschstadt Valencia, sondern „nur“ mit Madrid geklappt hat - von den ganzen coolen Leuten, die ich in Madrid kennengelernt hatte, natürlich mal abgesehen; aber die Stadt kann für meine Ansprüche leider nicht mit Valencia mithalten :-/.